Die zunehmenden sommerlichen Trockenphasen sind für Landwirtschaft und Gartenbau eine große Herausforderung. In der Börde-Region in Sachsen-Anhalt laufen Versuche mit Pflanzenkohle, hergestellt aus Biomasse-Reststoffe, als Bodenverbesserer.

Kapuziner Kresse und Petersilie, Lavendel und Geranium, Johannisbeeren und Apfelbäumchen, Zucchini- und Kürbis ..., der Anhänger ist prall gefüllt mit Pflänzlingen, die so schnell wie möglich in die Erde wollen bei 30 Grad Hitze schon am Vormittag. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bauhofes von Wolmirstedt bei Magdeburg registrieren seit Jahren eine zunehmende Trockenheit. Immer öfter müssen sie mit ihrem Wassertankwagen zu den städtischen Bepflanzungen ausrücken. Kaum gegossen, ist der Boden schon wieder trocken. Hoffnung setzen sie jetzt auf die schwarze Kohle, die gerade vor ihnen 20 Zentimeter tief eingegrubbert wird. Wolmirstedt in der sachsen-anhaltischen Börde ist Partner im „InterPyro“-Bündnis – „Interkommunale Anwendung der Pyrolysetechnologie“. Die Herstellung einer Pflanzenkohle zum Speichern von Wasser und Nährstoffen ist die Kernidee von InterPyro. Im Projektnamen steckt das zugrunde liegende technische Verfahren, die Pyrolyse. „Grün- und Strauchschnitt etwa werden in einem speziellen thermischen Umwandlungsprozess bei 650 bis 700 Grad in eine Pflanzenkohle umgewandelt, die bestens als Bodenverbesserer geeignet ist. Gleichzeitig werden die pflanzlichen Reststoffe wieder in den ökologischen Kreislauf zurückgeführt und ein großer Anteil des gespeicherten CO2 in der Kohle dauerhaft gebunden“, erklärt Sebastian Marschall. Das Forschungsvorhaben erhält vom Bundesforschungsministerium eine Förderung aus dem Programm „REGION.innovativ – Interkommunale Zusammenarbeit zur Stärkung einer regionalen Kreislaufwirtschaft in strukturschwachen Regionen“.

Sebastian Marschall hat schwer zu heben an den Fässern, die voll sind mit dieser Pflanzenkohle. Vor vier Wochen etwa wurde sie mit Rindermist vermischt, „beladen“ heißt es fachlich korrekt. „Die Pflanzenkohle hat die Eigenschaft, sich mit Nährstoffen vollzusaugen. Pur in den Boden gebracht, würde sie ihm wie ein Schwamm die Nährstoffe entziehen, das wäre ein kontraproduktiver Effekt“, erklärt Marschall. Der studierte Geograph ist Mitarbeiter des Rationalisierungs- und Innovationszentrums RKW Sachsen-Anhalt, das das InterPyro-Projekt ins Leben rief. Ein Partner aus der angewandten Forschung ist die Hochschule Anhalt mit ihrem Fachbereich „Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung“ in Bernburg-Strenzfeld. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Jeannine Dallman betreut dort das InterPyro-Projekt „Anhaltische Terra Preta“. Auf der „schwarzen Erde“ der Versuchsflächen am Standort Strenzfeld wächst Silomais. In der Kommune aus der Magdeburger Börde dagegen wurden Pflanzen ausgesucht, die traditionell den öffentlichen Raum zieren wie auch solche, die in privaten Obst- und Gemüsegärten angebaut werden. In Bernburg-Strenzfeld wie auch in Wolmirstedt gibt es zwei weitere Vergleichsflächen. Neben der jeweils unbehandelten wurde in den Boden der zweiten Fläche in Wolmirstedt Mist eingearbeitet. Auf die Versuchsfläche der Hochschule Anhalt wurden Gärreste aufgebracht. Diese Rückstände aus der Vergärung von Biomasse in Biogasanlagen werden – wie auch der Mist – wegen ihres hohen Nährstoffgehaltes oft direkt als landwirtschaftlicher Dünger auf die Felder gebracht. „Wenn aber die Pflanzenkohle mit den Gärresten oder dem Mist beladen wird, funktioniert sie wie ein Depot“, sagt Jeannine Dallmann. Die Nährstoffe werden gespeichert, und die Wurzeln der Pflanzen können sich nach Bedarf versorgen.“

Im vergangenen Herbst hatte die Hochschule Anhalt einen Versuch mit Gelbsenf gestartet. Die Pflanze wird auch von vielen Hobby-Gärtnern nach der Ernte als Gründünger ausgesät. Die Senföle wirken sich positiv auf die Bakterien- und Pilzkulturen im Boden aus. „Schon bald nach der Aussaat im August war zu sehen, dass die Pflanzen auf der mit Pflanzenkohle angereicherten Parzelle im Vorteil lagen“, sagt Jeannine Dallmann und präsentiert eine Foto-Dokumentation: weniger Fehlstellen und gleichmäßigeres Wachstum als auf den anderen Flächen sind offensichtlich und dann im November auch ein deutlicher Entwicklungsvorsprung. Die Laboranalyse von Bodenproben hat zudem ergeben, dass „Terra Preta“ am besten abschneidet, was so wichtige Bodeneigenschaften wie Humusgehalt, Wasser- und Nährstoffspeichervermögen betrifft.

Die Pflanzenkohle für die Versuche wird vom Fraunhofer Institut UMSICHT, dem Projektpartner aus Sulzbach-Rosenberg geliefert.

Über der „Anhaltischen Terra Preta“ geht gerade eine kräftige Regendusche nieder. Die schwarze Erde in der Börde bekommt ihre Dusche aus dem Wasserschlauch. Wie dem auch sei – alle InterPyro-Akteure sind auf das Speichervermögen der Pflanzenkohle gespannt, auch Wolmirstedts Bürgermeisterin. Marlies Cassuhn ist zum Versuchsfeld gekommen – und hat gleich eine pragmatische Idee. „Wenn die InterPyro-Infotafel aufgestellt ist, laden wir die Bevölkerung zum Gespräch ein. Kann ja auch beim gemeinschaftlichen Grillen sein.“ Dafür allerdings ist die Pflanzenkohle nicht geeignet.

Dieser Termin steht bereits fest: Am 22.07.2022, 13-16 Uhr, sind alle interessierten Menschen zur Eröffnung der Versuchsfläche eingeladen. Die Versuchsfläche befindet sich am Ginsterweg in Wolmirstedt.

Erstellung Text: PRpetuum GmbH/BMBF