Vor dem Hintergrund der dramatischen Klimaveränderungen sind fortschrittliche Ideen gefragt, beispielsweise um den weltweiten Temperaturanstieg zu stoppen. Eine solche Innovation kommt aus der Magdeburger Börde. Hier beschäftigt man sich mit der Erzeugung hochwertiger Pflanzenkohle aus Biomasse. Pflanzenkohle kann in den Boden eingebracht CO2 im Boden binden. Das Forschungsprojekt InterPyro hatte 2021 begonnen und ist jetzt erfolgreich beendet.

Um die Erderwärmung zu begrenzen, sind unter anderem Methoden gefragt, mit denen sogenannte negative CO2-Emissionen generiert werden können. Negativ emittieren bedeutet, dass Kohlenstoffdioxid bzw. dessen Äquivalente aus der Atmosphäre entnommen werden und so ihre Treibhauswirksamkeit in der Atmosphäre nicht entfalten können. Möglich ist dies auf verschiedenen Wegen. Naheliegend ist die Auf- und Wiederaufforstung, d.h. eine Festsetzung von Kohlenstoff in Form von organischer Biomasse. Zum zweiten ist die Kohlenstoffspeicherung in Böden zu nennen. Er ist nach den Ozeanen zweitgrößter CO2-Speicher der Welt. Im Boden steckt ebenfalls großes Potenzial. Mittels bodenfreundlicher landwirtschaftlicher Praktiken kann zum Beispiel Dauerhumus aufgebaut werden. Eine dritte Option besteht in der Erzeugung hochwertiger Pflanzenkohle aus Biomasse. Die bietet die Möglichkeit, Kohlenstoff abzutrennen und so dem Kohlenstoffkreislauf zu entziehen. Außerdem hat die Pflanzenkohle zusätzliche bodenverbessernde Eigenschaften.

Im Rahmen der zweiten Förderrunde des Förderprogramms „REGION.innovativ – Kreislaufwirtschaft“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) war das Projekt „InterPyro“ als eines von sieben Modellprojekten ausgewählt worden. In dem Projektnamen steckt das Wort Pyrolyse. Dabei werden zum Beispiel „Grün- und Strauchschnitt bei 650 bis 700 Grad in Kohle umgewandelt, ohne dass dabei eine Verbrennung stattfindet. Somit wird bei diesem Verfahren auch kein CO2 freigesetzt. Thermokatalytisches Reforming ist der Fachbegriff für diesen Prozess. Daher die Bezeichnung TCR®-Kohle, die hunderte bis tausende Jahre stabil bleibt und das CO2 speichert. Wird sie in den Boden eingebracht, werden die pflanzlichen Reststoffe wieder in den ökologischen Kreislauf zurückgeführt und sorgen für Humusbildung. Im Forschungsverbund waren sowohl kommunale Akteure als auch wissenschaftliche Institutionen vertreten sowie Unternehmen, die sich mit dem Wissenstransfer aus der Forschung in die Wirtschaft beschäftigen. Die Projektpartner Stadt Wolmirstedt, Gemeinde Barleben, Fraunhofer UMSICHT, Fraunhofer IMWS, Hochschule Anhalt, Energieavantgarde Anhalt und RKW Sachsen-Anhalt waren die federführenden Partner in dem InterPyro-Projekt. In enger Zusammenarbeit nahmen sie die zirkuläre Wertschöpfung mit dem Fokus Pflanzenkohle am Beispiel der Region Börde unter die Lupe.

Zunächst wurden die Biomassepotenziale der Region ermittelt. Auf Basis geografischer Erkundungsdaten ergaben sich allein für das Gebiet im Umkreis von 20 Kilometern um Elbeu ein jährliches Potenzial von Grünschnitt und holzartigen Resten von 8.800 Tonnen. Geht man von einem Bedarf von 5.000 Tonnen Biomasse aus, um eine TCR®-Anlage im industriellen Maßstab mit Einsatzmaterial zu versorgen (TCR®500: 500 kg Biomassefeed pro Stunde), wäre ausreichend Material zum Betrieb einer Anlage vorhanden.

In vergleichenden Tests hat die Pflanzenkohle die Nase vorn

Am Standort Wanzleben ergibt sich in einer weiteren beispielhaften Hochrechnung ein jährliches Potenzial von 97.000 Tonnen Gärresten oder sogar 211.000 Tonnen Stroh – genug Ausgangsstoff, um zirka 60 TCR®500-Anlagen zu betreiben. Ein weiterer Bestandteil des Projektes betraf die Akzeptanz und das Interesse am Thema Pflanzenkohle. Hierzu wurden in mehreren Durchläufen Umfragen gestartet und ausgewertet. Es folgte eine gründliche Betrachtung verschiedener gesetzlicher Vorgaben. Seit Juli 2022 sind auch Pyrolyseprodukte für eine mögliche Verwendung mit detaillierten Regelungen versehen und damit als Düngemittel zugelassen.

Als ein wesentliches Ergebnis des Projekts ist auch die Eröffnung von drei Pflanzenkohleversuchsfeldern zu nennen. Neben einem Kräuterbeet in Hecklingen entstand im Sommer 2022 die Testfläche am Ginsterweg in Wolmirstedt. Kapuzinerkresse und Petersilie, Lavendel und Geranium, Johannisbeersträucher und Apfelbäumchen, Zucchini- und Kürbispflanzen – die drei Abschnitte der insgesamt 30x3 Meter großen Anbaufläche sind jeweils mit der gleichen Anzahl und Art von Pflanzen bestückt worden. Vor der Bepflanzung wurde in einen der Bereiche mit Rindermist beladene TCR® Pflanzenkohle eingearbeitet. In den zweiten Flächenabschnitt wurde die gleiche Menge Rindermist eingebracht, die dritte Fläche blieb unbehandelt. Ähnlich wurde in Bernburg-Strenzfeld auf der Dauerversuchsfläche der Hochschule Anhalt vorgegangen. Neben einer unbehandelten (d.h. ungedüngten) Kontrollfläche wurde in einen zweiten Bereich eine definierte Menge Gärrest wurzelnah eingebracht sowie in einen dritten Bereich eine mit derselben Menge Gärrest beladene Pflanzenkohle. Untersucht wurden u.a. das Wasserspeichervermögen, das Nährstoffspeichervermögen und der Humusgehalt. Bereits nach drei Monaten ließen sich Unterschiede feststellen: Die beladene Pflanzenkohle hat dabei die Nase vorn: im Vergleich zur Kontrollfläche stiegen der Humusgehalt um 7,4 Prozent, das Wasserspeichervermögen um 6,1 Prozent sowie das Nährstoffspeichervermögen um 11 Prozent.

Diese vielversprechenden Ergebnisse werden weiterhin wissenschaftlich untersucht. Um die Ergebnisse aus der Wissenschaft schließlich praktisch anzuwenden und für die landwirtschaftlich geprägte Region Börde nutzbar zu machen, wurden schließlich intensive Bemühungen unternommen, um die TCR®-Technologie in der Region anzusiedeln. Es wurden Partner gesucht und verschiedene Akteure zusammengebracht. Im Rahmen des 4. Reallabors InterPyro im März 2023 wurde mit den Teilnehmenden eine SWOT- durchgeführt, um die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken des Baus einer TCR®-Anlage aus jeweils der Sicht der Zulieferer, der Betreiber und der Anwender zu beleuchten.

All diese Ergebnisse flossen zum Ende des Projektes zu einem Handlungsleitfaden zusammen. Dieser beschreibt neben den wichtigsten Grundlagen zur Pflanzenkohle und der TCR®-Technologie hauptsächlich die neun Schritte zur Umsetzung einer Pyrolyseanlage inklusive der Fördermöglichkeiten und der Produktzertifizierung. Die Ergebnisse sowohl der wissenschaftlichen Erhebungen als auch der intensiven Bemühungen der Implementierung einer Technologie zur Kohlenstoffsequestrierung sind darin zusammengefasst.

Interessierte Akteure auch anderer Regionen, die sich mit einer hochinnovativen Technologie zukunftsfähig aufstellen wollen, finden auf den 36 Seiten eine komprimierte Zusammenfassung.

Auf der Abschlussveranstaltung InterPyro am 28. Juni trafen sich knapp 50 Akteure. In Fachvorträgen wurden die Projektergebnisse vorgestellt. Das Interesse an der Pflanzenkohle ist groß. Sicher ist, dass mit diesem Projekt auf die Pyrolyse von Biomasse als Zukunftstechnologie aufmerksam gemacht wurde. Die praktische Umsetzung der Ergebnisse und Erfahrungen von InterPyro wäre ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Energieversorgung und eine produktive Maßnahme zur Sicherung landwirtschaftlicher Erträge.

Der InterPyro-Handlungsleitfaden „Anwendungspotenziale einer Pyrolysetechnologie in ländlichen Regionen – Bodenverbesserung durch Pflanzenkohle und energetische Nutzung von Nebenprodukten“ steht hier für Sie zum Download bereit: [Download pdf 3498 KB]

Einen sehenswerten Beitrag des lokalen Ortssenders OrtsTV finden Sie hier.

Erstellung Text: Kathrain Graubaum, Gisela Weling, Sebastian Marschall

Impressionen der Abschlussveranstaltung vom 28.06.2023 an der Pflanzenkohle-Versuchsfläche in Wolmirstedt